Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung

Der Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung zählt zu den wichtigsten Literaturauszeichnungen in Deutschland. Er wird seit 1994 jährlich vergeben und ist mit 20.000 Euro dotiert. Das Preiskuratorium bilden der Freistaat Sachsen, die Stadt Leipzig, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels e. V. und die Leipziger Messe. Kooperationspartner ist die Bundeszentrale für politische Bildung.

Der Preis wird am 26. April 2023 im Gewandhaus zu Leipzig vergeben. Die Veranstaltung startet 19 Uhr und wird auf der Startseite der Buchmesse gestreamt.

Maria Stepanova (Quelle: © Ekko von Schwichow/Suhrkamp)

Maria Stepanova erhält den Leipziger Buchpreis zur Eurpäischen Verständigung

Der Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung 2023 wird der russisch-jüdischen Autorin Maria Stepanova, die 1972 in Moskau geboren wurde und derzeit im deutschen Exil lebt, für ihren Lyrikband „Mädchen ohne Kleider“ verliehen. Die Gedichtzyklen – so liedhaft wie erzählerisch – führen eindrücklich vor, wie sich in aktuelle Poesie ein waches Geschichtsbewusstsein einschreibt. Der Band ist im Mai 2022 im Verlag Suhrkamp erschienen. Die viel gelobte Übertragung aus dem Russischen stammt von Olga Radetzkaja. Die Jury verweist in ihrer Begründung auch auf den Lyrikband „Der Körper kehrt wieder“ (2020) und den Roman „Nach dem Gedächtnis“ (2020).

Ilma Rakusa (Quelle: © Giorgio von Arb)

Die Laudatio hält die Schweizer Literaturwissenschaftlerin, Autorin und Übersetzerin Ilma Rakusa.

Begründung der Jury

Den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung 2023 erhält die russische Lyrikerin Maria Stepanova für die Unbedingtheit, mit der sie auf der poetischen Wahrnehmung der Welt besteht. Unablösbar in der Gegenwart und in der russischen Sprache von Alexander Puschkin über Ossip Mandelstam bis Marina Zwetajewa verankert, ist ihr Werk zugleich ein Hallraum der Weltliteratur, in dem Dante, Goethe und Walt Whitman ebenso anwesend sind wie Ezra Pound, Inger Christensen und Anne Carson.

In ihrem Zyklus „Mädchen ohne Kleider“ aus dem gleichnamigen Gedichtband nimmt sie den weiblichen Körper in Schutz gegen das Machtgefälle zwischen Betrachter und Objekt. Spielerisch greift sie in der Gedichtreihe „Kleider ohne uns“ auf den Formenkanon zurück und bettet die Kleidung als Chiffre des Lebens in einen perfekten Sonettkranz ein. Ähnlich wie in ihrem grandiosen Roman „Nach dem Gedächtnis“, der die eigene Familiengeschichte mit dem Rückblick auf den Stalinismus und den Zerfall der Sowjetunion verschränkt, betritt Stepanova im Zyklus „Bist du Luft“ das Reich der Toten. Ihr lyrisches Ich spricht in ein Grab hinein und verschmilzt mit der Kindheitslandschaft. In den Tiefenschichten lagern auch die Schlachtfelder des 20. Jahrhunderts und die Knochen der Gefallenen.

Stepanovas Lyrik ist wie ihre Prosa und Essayistik Arbeit am Gedächtnis. Sie folgt den Spuren namenloser Toter, fördert das Unerzählte zutage, schlägt ironische Haken und widersetzt sich jeder Art von Parolen. Auch wenn Maria Stepanova in ihren Gedichten in den Abgrund schaut, bleibt ihre große Hoffnung die Sprache. Sie verhilft dem nicht-imperialen Russland zu einer literarischen Stimme, die es verdient, in ganz Europa gehört zu werden.

Kritisch und fair: Die Jury

  • Skadi Jennicke (Bürgermeisterin für Kultur der Stadt Leipzig)
  • Michael Krüger (Autor, Verleger, Übersetzer, München)
  • Johannes Riis (Verleger, Kopenhagen)
  • Elisabeth Ruge (Autorin, Verlegerin, Literaturagentin, Berlin)
  • Daniela Strigl (Essayistin, Kritikerin, Dozentin, Wien)

Die bisherigen Preisträger:

  • 2022: Karl-Markus Gauß (Österreich)
  • 2021: Johny Pitts (Großbritannien)
  • 2020: László Földényi (Ungarn)
  • 2019: Masha Gessen (USA)
  • 2018: Åsne Seierstad (Norwegen)
  • 2017: Mathias Énard (Frankreich)
  • 2016: Heinrich August Winkler (Deutschland)
  • 2015: Mircea Cărtărescu (Rumänien)
  • 2014: Pankaj Mishra (Indien)
  • 2013: Klaus-Michael Bogdal (Deutschland)
  • 2012: Ian Kershaw und Timothy Snyder (Großbritannien und USA)
  • 2011: Martin Pollack (Österreich)
  • 2010: György Dalos (Deutschland)
  • 2009: Karl Schlögel (Deutschland)
  • 2008: Geert Mak (Niederlande)
  • 2007: Gerd Koenen (Deutschland) und Michail Ryklin (Russland)
  • 2006: Juri Andruchowytsch (Ukraine)
  • 2005: Slavenka Drakulić (Kroatien), lebt in Stockholm, Wien und Sovinjak (Kroatien)
  • 2004: Dževad Karahasan (Bosnien-Herzegowina), lebt in Graz und Sarajevo
    (Anerkennungspreis: Gábor Csordás, Ungarn)
  • 2003: Hugo Claus (Belgien)
    (Anerkennungspreis: Barbara Antkowiak, Deutschland)
  • 2002: Bora Ćosić (Kroatien), lebt in Rovinj (Kroatien) und Berlin
    (Anerkennungspreis: Ludvik Kundera, Tschechien)
  • 2001: Claudio Magris (Italien)
    (Anerkennungspreis: Norbert Randow, Deutschland)
  • 2000: Hanna Krall (Polen)
    (Anerkennungspreis: Peter Urban, Deutschland)

Verleihung des Leipziger Buchpreises zur Europäischen Verständigung 2022

Kontakt

Geschäftsstelle Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung
c/o Stadt Leipzig Dezernat Kultur
Frau Karin Rolle-Bechler

Tel.: +49 341 123-4207
E-Mail: buchpreis@leipzig.de
Website: www.leipzig.de/buchpreis

Impressionen der Preisverleihung 2022